
Die Birken des Benario
Die Birke – ein kurzlebiges Baumdenkmal
Baumdenkmäler sind oft alt und vor Jahrzehnten, teils Jahrhunderten gepflanzt. Die Wahl der Baumart ist längst vergangen und bleibt meist dem Zufall überlassen. Dennoch sind Birken – aus botanischer Sicht – die nahezu unpassendste Baumart. Sie ist eine Pionierbaumart. Ihr gesamter Aufbau ist darauf ausgelegt, schnell auf freien Flächen zu keimen, groß zu werden und Samen zu bilden. Sie müssen nicht lange leben, da irgendwann Schattenbaumarten wie die Buche sie ablösen und verdrängen. Dafür Fruchten sie früh und besiedeln mit ihren flugfähigen Samen die nächste Brachfläche. Man könnte sagen, die Birke bereitet den Boden für einen langlebigen Wald vor. Dazu hat sie 70 bis 120 Jahre Zeit.
Für diese kurze Lebensspanne müht sich die Birke nicht, komplizierte Abschottungs- und Überwallungsmechanismen auszubilden. Sie stirbt bei größeren Wunden oft ab, da Pilze und Bakterien sie befallen und schädigen. Sie setzt auf Masse statt Klasse um diese Verluste auszugleichen. Sie produziert zahlreiche Samen, die fast überall keimen. Außerdem hat die Birke eine gute Regenerationsfähigkeit. Sie treibt aus dem Stock oder den Wurzeln neu aus, wenn der Rest des Stammes abgestorben ist. Insgesamt ist diese Strategie für die Birke überlebenswichtig, jedoch ungünstig für ein lange überdauerndes Denkmal im Sinne des Natur- und Denkmalschutzes.
Baumfrevel aus politischem Grund
Beim Denkmal in Fürth sind die Birken ausschlaggebend, dass überhaupt ein Denkmal entstand. Die Bäume wurden 1930 von Dr. Rudolf Benario und Ernst Goldmann gepflanzt, um die Uferpromenade der Rednitz zu befestigen. Sie gründeten an selber Stelle einen Kanu-Club, dessen Mitglieder sich gegen den Nationalsozialismus stellten. Drei Jahre später ermorden Nationalsozialisten die beiden Männer im KZ in Dachau. Zum Gedanken steht seit vielen Jahren eine Gedenktafel und eine Sitzbank bei den Birken. Sie informiert über das Verbrechen und soll ein Statement gegen den Nationalsozialismus darstellen.
Foto: O. Paul
Anfang 2017 verübten Unbekannte einen ersten Anschlag auf die Birken. In drei Birken der Baumgruppe schnitten sie zentimetertief mit Motorsägen rings um den Stamm eine Kerbe. Von weitem wirkt diese Tat weniger schlimm, als sie ist. Unter der Rinde liegt das Kambium des Baumes. Die einzige teilungsaktive Schicht, die der Baum im Stamm hat. Sie bildet nach außen Bastzellen und nach innen Holzzellen. Genau dieser Bast stellt das Problem dar. Er ist für den Saftfluss des Baumes verantwortlich. Die wenige Zellen dicke Schicht bringt die frisch durch Photosynthese entstandenen Zuckerlösungen von den Blättern in die Speicherorgane. Oder sie transportiert sie an die Orte im Baum, wo dieser sie für Neubildung von Zweigen, Wurzeln, Blättern oder Gewebe benötigt wird. Die Verletzung des Stammes kann diesen Saftfluss unterbrechen.
Glück im Unglück?
Am Saftstrom ist bei der Birke auch das Splintholz beteiligt. Dieser helle Teil des Stammes liegt zwischen Kernholz und Rinde und besteht aus lebenden Zellen. Er enthält Leitungsbahnen und ist damit zum Teil, wie der Bast, am Saftfluss beteiligt. Das Überleben des Baumes ist eine Zeit lang gesichert. Er kann sich versorgen, und mit genügend Zeit vielleicht die Wunde verschließen. Doch hier kommt die Problematik der Pionierbäume zum Tragen. Die Birke schottet Wunden schlecht ab und verliert zumeist den Kampf gegen eindringende Pilze. Gerade bei großen Wunden stehen die Chancen schlecht.
Erste Hilfe für die Fürther Birken
Kurz nach dem Sägenangriff leisteten die örtlichen Baumpfleger Erste Hilfe. Sie lichten die Kronen der betroffenen Bäume aus und verringern damit die Gefahr absterbender und herabfallender Äste. Dies gewährleistet, dass trotz des langsam einsetzenden Sterbeprozesses, die Sicherheit der Spaziergänger und Besucher des Denkmals gewährleistet bleibt. Damit gab es auch die Hoffnung, dass die Bäume weitere Jahre grüne Zeugen der Zeit bleiben.
Der Rückschlag
Die Maßnahmen zum Erhalt der Bäume erwiesen sich leider bald als wirkungslos. Denn die unbekannten Täter, die im rechtsradikalen Milieu zu vermuten sind, geben nicht auf. Sie führten neue Anschläge auf die Birken aus, schädigten, entwendeten und beschmierten die Gedenktafel mehrfach. Auch ein Banner, welches zum Gedenken zwischen den Birken hing, entfernten die Baumzerstörer. Für ihre letzten Angriffe auf die Birken verwendeten sie Äxte. Sie entfernten große Rindenteile und schlugen tiefe Wunden in den Stamm. Das Todesurteil für die Birken.
Erste Hilfe für Bäume
Nicht jeder Baum wird mutwillig beschädigt. Manche Bäume haben natürliche Krankheiten oder einen krabbeligen Schädlingsbefall. Über die Suchfunktion des Baumpflegeportals finden Sie schnell eine/n qualifizierte/n und erfahrene/n Baumpfleger/in.
Baumpflege für sterbende Bäume?
Durch gezielte baumpflegerische Maßnahmen ist es möglich, das Leben der Birken um einige Jahre zu verlängern. Kronenrückschnitte und rechtzeitiges Auslichten verhindern, dass Äste auf Passanten fallen. Die wiederhergestellte Verkehrssicherheit garantiert, dass die Bäume bis zu ihrem Tod an Ort und Stelle bleiben dürfen. Birken sind durch ihre Lebensweise keine Methusalem-Anwärter. Die Fürther Birken aus dem Jahr 1930 und sind mit ihren 88 Jahren nahe an ihrer natürlichen Lebensgrenze. Die aktuellen Maßnahmen dienen leider nur der „Schadensbegrenzung“ und eine Erholung der Birken ist ausgeschlossen.
Foto: O. Paul
Die Zukunft
Vielleicht ist es an der Zeit für einen Generationswechsel an der Gedenkstätte in Fürth. Der Zeitpunkt für die Pflanzung neuer, junger Bäume unter den alten Birken kann nicht besser sein. Die kleinen Bäumchen wachsen im Schatten der alten Birken und nehmen in absehbarer Zeit deren Platz ein, wenn die Zeit für die Fällung der Bäume gekommen ist. Es bleibt spannend, was die Stadt Fürth für diesen Ort geplant hat. Die Hoffnung auf eine friedliche Gedenkstätte im Schatten der Bäume bleibt, auch wenn die schändliche Tat und der Baumfrevel weiterhin schwere Schatten werfen.
Autor: Redaktion
Artikelreihe Baumrinde
Mit der Reihe „Baumrinde“ widmen wir uns ausführlich einem der prägendsten Teile des Baumes. Die Rinde schützt den Baum und übernimmt weitere wichtige Funktionen im Organismus Baum. Grund genug, dieses Wunderwerk näher zu betrachten.