
Platanenallee bei Sélestat (Elsass, Frankreich)
In Platons „Phaidros“ schwärmt Sokrates von einem Ruheort unter einer Platane. Diese Platane sei so „gewaltig, hoch und weit verzweigt“, die Krone wunderbar und herrlicher Schatten unter ihr. Wer nur die durch radikale Rückschnitte verkrüppelten Platanen unserer Innenstädte kennt, meist in Form einer arg gestutzten Platanenallee, mag dies kaum glauben…
Die Platane (Platanus X hispanica (hybrida) ist ein beliebter Stadtbaum, wächst rasch, erträgt Trockenheit und Luftverschmutzung, eignet sich gut für den sogenannten fachgerechten Kopfschnitt und erduldet – ziemlich lange – radikale Rückschnitte. Sie ist also auch der ideale Baum für Pflegetrupps, die zwar keine baumpflegerischen Kenntnisse haben – dafür aber einen Hubsteiger und Motorsägen. Für viele Menschen ist das Bild einer Platanenallee voller radikal zurückgestutzter Kopfplatanen so alltäglich geworden, dass es schon fast richtig sein muss, dass eine Platane eben so gestutzt oder geschnitten wird. Immer wieder erlebe ich es, dass Menschen erstaunt zu mächtigen Platanen aufschauen, die frei in Parkanlagen wachsen können.
Eine 2.500 jährige Platane?
Sokrates‘ Platane soll immer noch existieren. Zumindest erzählt man sich das in Griechenland. Doch 2.500 Jahre sind wohl für eine Platane zu großzügig geschätzt. Es zeigt aber, dass eine Platane mehr sein kann, als die skurrilen Winterfiguren in unseren Städten. Ich gebe zu, auch diese geschnittenen Figuren haben einen gewissen Reiz, wenn sich die immer dicker werdenden Äste, in alle Richtungen schlangengleich winden. Und immerhin sind die Platanen bis zum Sommer wieder einigermaßen ansehnlich.
Doch wer Platanen gesehen hat, die als Platanen wachsen durften, der weiß auch, dass Zarathustra keine süd- oder mitteleuropäische Stadtplatane im Sinn hatte, als er die Platane, zusammen mit der Zypresse ins Paradies verortete. Und die Platane, unter der Buddha seine Inspiration bekam, war wohl ebenfalls eine gewaltige, hoch und weit verzweigte Platane.
Anderthalb Kilometer Platanenallee
Bei Sélestat (Frankreich, Elsass) gibt es eine Allee mit hochgewachsenen Platanen. Diese knapp anderthalb Kilometer der D424 sind eine Wucht – im Sommer wie im Winter. Mich fasziniert diese Allee besonders im Winter. Im Sommer fährt man durch einen grünen Tunnel, links und rechts die Platanenstämme, die zuerst irritieren, da man von Platanen diese grüne Pracht nicht gewohnt ist. Im Winter kommen die hohen, relativ schlanken Stämme voll zur Geltung, mit ihren nach oben strebenden Ästen, die oben ein filigranes Netzwerk aus dünnen Zweigen bilden.
Sélestat ist nicht nur wegen der Kirchen Sainte-Foy und Saint-Georges und der Bibliothèque humaniste einen Besuch wert. Doch für mich beginnt Sélestat immer an dieser wunderschönen Platanenallee.
Der Autor: Stefan Bilharz
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